Das ehemals kurkölnische Gebiet des heutigen Kreises Olpe, der im Jahr 1818 im Zuge der Neugründung der preußischen Provinz Westfalen entstand, war konfessionell seit jeher hauptsächlich
katholisch geprägt. Vor allem ab dem 19. Jahrhundert zeigt sich das auch im Orgelbau in einer engen Anbindung an die westfälischen Orgelbauwerkstätten, die ihren Sitz in den katholischen Zentren
wie beispielsweise der Bistumshauptstadt Paderborn oder der Wallfahrtsstadt Werl hatten.
Wann es auf dem Gebiet des heutigen Kreises Olpe die erste Orgel gab, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Doch die „lüttcken orgelen“, die im Jahr 1531 für die Attendorner Pfarrkirche genannt
wird, dürfte eines der frühesten Orgelzeugnisse der Region sein. Ende des 16. Jahrhunderts wurden auf Betreiben des Landdrosten Kaspar von Fürstenberg einige weitere Orgeln angeschafft: 1599 in
Kirchhundem und 1601 auf Burg Schnellenberg bei Attendorn. Schon 1581 ist die Reparatur eines Positivs auf Burg Bilstein durch Meister Hermann Boukum aus Rüthen nachzuweisen. Für Kirchveischede
wird 1614 ein Organist erwähnt, was auf die Existenz einer Orgel schließen lässt. Die Pfarrkirche in Olpe erhielt spätestens 1615 ihre erste Orgel, als nach einer Kirchenvisitation ein Positiv
„aus Frankfurt“ angeschafft wurde.
Einen regelrechten Bildersturm gegen die Orgeln, wie er etwa im benachbarten reformatorischen Siegerland stattfand, gab es im katholischen Sauerland nicht. Vielmehr kam es zu mehreren weiteren
Orgelneubauten nach Ende des Dreißigjährigen Krieges: 1662 erhielt die Pfarrkirche Kirchhundem eine zweite Orgel, es folgten Orgelneubauten 1663 im Kloster Drolshagen und 1666 in Oedingen. In
Olpe wurde 1685/93 die Orgel erneuert und die Pfarrkirche in Helden bekam ebenfalls eine neue Orgel. Auch in Wenden war schon im 17. Jahrhundert eine Orgel vorhanden, die 1683 erneuert und 1714
durch Feuer zerstört wurde. Wir können außerdem annehmen, dass die 1804 beschriebene Orgel in der Stiftskirche Ewig ebenfalls ein Werk des 17. Jahrhunderts war. An anderen Orten, wo wir keine
genaue Auskunft über Orgeln vor 1700 haben, weist aber teilweise bis heute vorhandenes Pfeifenmaterial auf Instrumente aus der Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts hin, so etwa in Rahrbach und
Kohlhagen.
Spätestens um die Wende zum 18. Jahrhundert waren schließlich die meisten Kloster- und größeren Pfarrkirchen im südlichen Sauerland mit Orgeln ausgestattet. Mit der Wende zum 18. Jahrhundert
werden die überlieferten Angaben über Orgeln detaillierter, so sind jetzt auch meistens die Namen der Orgelbauer bekannt. Es lässt sich beobachten, dass nur in den ersten Jahren des 18.
Jahrhunderts westfälische Orgelbauer im Gebiet des heutigen Kreises Olpe tätig waren (Peter Henrich Varenholt und Hans Henrich Reinking zwischen 1701 und 1708 in Kirchhundem, Attendorn und Elspe;
Ernest Frisse aus Schmallenberg 1724 in Heinsberg). Sie wurden recht bald von den Mitgliedern der verzweigten bergischen Orgelbauersippe Ruhm-Kleine-Nohl verdrängt, von denen vor allem die
Familie Kleine etliche neue Instrumente im 18. Jahrhundert im Raum Olpe baute. Ausnahmen bilden die Instrumente von Johann Philipp Seuffert in Kirchveischede (1741) und Bartholomäus Boos in
Wenden (1754/55), mit denen renommierte Orgelbau¬meister aus weiter entfernten Regionen (Würzburg und Koblenz) vereinzelt in der Region Akzente setzten.
Die Orgeln in den katholischen Kirchen des Südsauerlands waren durchweg erstaunlich groß dimensioniert. Selbst in kleineren Dorfkirchen fanden sich oft Orgeln mit mindestens 12 Registern; die
Heinsberger Orgel, die allerdings mit Sicherheit nicht ursprünglich für diese Kirche konzipiert war, hatte sogar 21 Stimmen. Die größeren Stadtkirchen in Olpe, Wenden und Drolshagen sowie die
Kloster- und die Pfarrkirche in Attendorn hatten Orgeln mit bis zu 30 Registern, zumeist zweimanualig und mit freiem Pedalwerk.
Die politischen Umwälzungen mit dem Übergang zum 19. Jahrhundert brachten einige Änderungen mit sich, die auch Auswirkungen auf die Orgellandschaft hatten. So wurden im Zuge der Säkularisierung
die Klöster und Abteien aufgelöst, deren Orgeln nun vor Ort überflüssig geworden waren und oft an neue Standorte überführt wurden. Somit kamen 1804 zum Beispiel auch die Orgel des aufgelösten
Klosters Drolshagen nach Neuenkleusheim oder die Orgel des Chorherrenstifts Ewig nach Grevenbrück. Wenngleich eine beabsichtigte staatliche Oberaufsicht über die Orgelbautätigkeiten im
katholischen Kreis Olpe nicht so zum Tragen kam wie etwa in den evangelischen Kirchen, bedeutete die politische und wirtschaftliche Konsolidierung doch einen fruchtbaren Boden für zahlreiche
Orgelneubauten ab dem zweiten bzw. dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts.
Deutlich spürbar ist der Rückgang der Einflussnahme der bergischen Orgelbauer auf die Orgellandschaft des Kreises Olpe. Nach seinem großen Orgelneubau für die Attendorner Pfarrkirche 1810–16
konnte Christian Roetzel hier in den Folgejahren keine Neubauaufträge mehr erhalten. Vielmehr baute der aus Beckum gebürtige Anton Fischer, der sich zwischenzeitlich auch in Oedingen und Olpe
niedergelassen hatte, in den 1830er Jahren mehrere neue Orgeln, die hohe künstlerische Anerkennung fanden und in ihrer Konzeption bereits einen Wandel vom barocken Werkcharakter hin zu
dynamischer Abstufung der Manualwerke andeuteten.
Mit den Gebr. Ahmer aus Letmathe, Eberhard Kraft und Adolph Rieschick aus Brilon, Bernhard Speith aus Rietberg und Hugo Gerstgarbe aus Fredeburg traten um die Mitte des 19. Jahrhunderts immer
weitere westfälische Orgelbauer im Kreisgebiet in Erscheinung, von denen einige zwischenzeitlich sogar ihre Wohnsitze und Werkstätten in Attendorn aufschlugen (Eberhard Kraft und Adolph
Rieschick).
Einflüsse außerwestfälischer Orgelbauer finden wir im Raum Olpe kaum. Als Instrumente von hessischen Orgelbauern sind die Orgeln von Christian Friedrich Bornemann 1835 in Serkenrode und von Jakob
Vogt 1863 in Altenhundem zu nennen (die Peternell-Orgel 1868 in der ev. Kirche Altenhundem war eine Translozierung). Bei den genannten Orten im östlichen Bereich des heutigen Kreises spielte
sicherlich die geographische Nähe zu Hessen-Nassau eine Rolle. In Saalhausen baute 1859 der rheinische Orgelbauer Franz Wilhelm Sonreck. Hermann Loos aus Siegen führte in den 1840er Jahren nur
kleinere Aufträge im Raum Olpe aus, wurde aber für größere Arbeiten oder gar Neubauten nicht beauftragt.
Ab den 1890er Jahren ist eine deutliche Beschränkung auf einige wenige westfälische Werkstätten – die Firmen Stockmann, Eggert-Feith und Tennstädt, anfangs noch Fritz Clewing – zu bemerken, von
denen vor allem die Firma Feith innovative Orgelkonzepte einführte (sowohl eine ausgeprägte dynamische Abstufung der Manuale mit teilweise extremer Grundstimmenbetonung als auch zeitweise ein
„durchmischtes“ Dispositionsmodell). Andere Orgelbauer wie Peekel, Seifert und Weise bauten nur vereinzelt. Die drei evangelischen Orgeln in Olpe, Attendorn und Altenhundem von Grüneberg,
Voelkner und Faust zeichnen hingegen ein gänzlich anderes Bild überre¬gionaler Anbindung. Im westlichen Teil des Kreises Olpe erhielt die Kölner Firma Hugo Koch in den 1940er Jahren einige
Aufträge, von denen außer der Orgel in Hünsborn aus Kriegsgründen kein Instrument mehr fertiggestellt werden konnte. In den geplanten Dispositionen zeigen sich hier nun aber sehr deutlich
orgelbewegte Einflüsse.
Im Kreis Olpe ist somit – auch vor dem Hintergrund hoher Kirchen- und Orgel-Neubau-Zahlen – eine starke Ausprägung des hochromantischen Orgelbaus festzustellen, womit die südsauerländische
Orgellandschaft zur Zeit der Wende zum 20. Jahrhundert als im zeitgenössischen Sinn durchaus „modern“ gelten muss. Wenngleich diese Epoche des Orgelbaus im Kreis Olpe bis heute noch stark
nachwirkt, sind nur noch wenige Instrumente aus dieser Zeit unverändert erhalten. Umso wichtiger wäre daher zum Beispiel eine Restaurierung und Rückführung der heute unspielbaren Orgel von Franz
Eggert (1892) in der Grevenbrücker Pfarrkirche. Die erhaltenen Orgeln in Saalhausen, Ottfingen und Kirchhundem stellen wichtige Zeugnisse der verschiedenen Etappen des „romantischen“ Orgelbaus im
Kreis Olpe dar.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann die orgelbewegte Rückbesinnung auf den barocken Orgelbau zunehmend auch Einfluss auf die Orgellandschaft des Kreises Olpe. Auf Initiative des Münsteraner
Musikwissenschaftlers und Orgelforschers Rudolf Reuter wurden die erhaltenen Barockorgeln vor der Zerstörung bewahrt und nach damaligen Maßstäben restauriert bzw. renoviert. Dabei kamen u. a. die
Orgelbauwerkstätten Paul Ott (Göttingen), Franz Breil (Dorsten), Rudolph Th. Mendel (Brilon) und Emanuel Kemper (Lübeck) zum Zuge, die in den 1950er Jahren in Zusammenarbeit mit dem Westfälischen
Amt für Denkmalpflege mehrere Orgeln im Kreis Olpe erneuerten. Unter den Neubauten aus dieser Zeit sind vor allem die beiden großen Orgeln aus der Bonner Werkstatt Johannes Klais in Attendorn
(1957) und Olpe (1958) zu nennen, die bis heute unter akustisch unterschiedlichen Gegebenheiten ihre Qualitäten unter Beweis stellen. Etwa zehn Jahre später entstand 1967 die Klais-Orgel für das
Mutterhaus der Franziskanerinnen in Olpe.
Die evangelischen Kirchen des Kreises wurden in den 1960er- und 70er-Jahren mit neuen Schleifladenorgeln nach neobarocken Maßstäben ausgestattet: 1960 durch Alfred Führer in Rothemühle, 1960 und
1966 durch Gustav Steinmann in Würdinghausen und Altenhundem, 1962 und 1976 durch Paul Ott in Finnentrop und Fretter, 1969 und 1971 durch Detlef Kleuker in Attendorn und Petersburg sowie 1970 und
1972 durch Alexander Schuke in Drolshagen und Olpe. Herausragend ist die 27 Register umfassende Orgel von Wolfgang J. Braun aus dem Jahr 1988 in der ev. Kirche Grevenbrück. Zwei Jahre später
lieferte die Fa. Albers & Wiggering aus Schmallenberg eine kleine Orgel für das ev. Gemeindezentrum in Wenden.
In den katholischen Kirchen hielten die aus der Paderborner Firma Feith hervorgegangenen Betriebe Stegerhoff und Effertz noch bis in die 1970er Jahre an der elektrischen Traktur fest. Zu nennen
sind hier z. B. die Orgeln von W. F. Stegerhoff, Inh. Georg Effertz in Langenei (1971) und Fretter (1973).
Mit dem Bau der Dünscheder Orgel 1977 trat der Feith-Nachfolger Siegfried Sauer erstmals im Kreis Olpe auf. Er konnte in den 1980er Jahren einige größere Orgeln im Kreisgebiet bauen, bei denen er
jeweils auf Pfeifenmaterial aus den Vorgängerinstrumenten zurückgriff. In der Wallfahrtskirche Kohlhagen und in Kirchveischede war er auch mit restauratorischen Maßnahmen an historischen Orgeln
beschäftigt. Maßstäbe in der Restaurierung bzw. Re-Restaurierung wertvoller historischer Barockorgeln setzten aber die umfangreichen Arbeiten durch Joachim Kreienbrink (Osnabrück) in Rahrbach
1988–92 und vor allem die vorbildliche Restaurierung durch Hans Peter Mebold (Siegen) 1988–91 in Schliprüthen.
Von der Leverkusener Werkstatt Gert Weyland ist neben der kleine Wechselschleifen-Orgel in der Kirche zu Altenkleusheim (1991) die viel beachtete Orgel von 1981 in der Olper Heilig-Geist-Kirche
zu nennen, die auf zahlreichen CD-Einspielungen mit Hans Helmut Tillmanns (Bach-Orgelwerke u. a.) und Wolfgang Stockmeier (Werke von Johann Nepomuk David) präsentiert ist.
In den 1990er Jahren baute die Werkstatt Gebr. Stockmann aus Werl mehrere große Instrumente im Kreis Olpe, u. a. 1992 in Hünsborn, 1994 in Benolpe und Bleche, 1995 in Elspe, 2000 im Pallottihaus
Olpe und 2001 in Finnentrop. Der Orgelbaubetrieb Albers & Wiggering (ab 1996 Thomas Wiggering) aus Schmallenberg machte mit seinen Arbeiten in Wenden (ev. Gemeindezentrum 1990),
Neu-Listernohl (1996) und Oberhundem (1999) auf sich aufmerksam, von denen die beiden letztgenannten auf vorhandenen Barockorgeln basieren; zwei Truhenorgeln aus der Werkstatt gingen 2001/02 nach
Attendorn in den „Sauerländer Dom“ sowie in Privatbesitz. Eine besondere Note brachte die englische Orgel von Goetze & Gwynn in Rehringhausen 1998 in die Olper Orgellandschaft –
ausschlaggebend war hierbei die Verbindung über den aus Olpe gebürtigen Marcus Stahl, der zu dieser Zeit in der englischen Werkstatt seine Ausbildung machte und inzwischen in Dresden selbständig
ist.
Große Aufmerksamkeit erhielt der Orgelneubau 2002 in der St.-Johannes-Kirche zu Welschen Ennest von der Siegener Orgelbauwerkstatt Hans Peter Mebold. Die Orgel gehört zu den profiliertesten und
prominentesten Instrumenten im gesamten Kreis Olpe und wird regelmäßig auch konzertant genutzt.
Die Restaurierung und Erweiterung der Sonreck-Orgel in Saalhausen 2008/09 durch den Orgelbauer Elmar Krawinkel stellt eine gelungene Synthese zwischen restaurativen Maßnahmen und einer behutsamen
Anpassung an heutige kirchenmusikalische Belange dar. Und schließlich bietet sich in der St.-Clemens-Pfarrkirche die außerordentlich seltene Situation, dass innerhalb weniger Jahre zwei große
neue Orgelwerke fertiggestellt werden: 2018 die durch die Passauer Orgelbauwerkstatt Eisenbarth im historischen Gehäuse gebaute Basilika-Orgel sowie der von der gleichen Firma geplante Bau einer
neuen Orgel im neuen Kirchenschiff der Pfarrkirche. Zuletzt wird die südsauerländische Orgellandschaft mit der kleinen Orgel von Friedrich Specht (1854), die 2021 nach Dumicke kommen soll, um ein
historisches Kleinod reicher.
Somit präsentiert sich der Kreis Olpe heute als eine vielfältige Orgellandschaft, die von hervorragenden Zeugnissen westfälischer Barockorgelbaukunst bis hin zu großen konzertfähigen Instrumenten
aus der Zeit der Wende zwischen 20. und 21. Jahrhundert reicht. Aus dem 19. Jahrhundert haben sich leider nur wenige Instrumente erhalten, sie wurden allzu oft in der Nachkriegszeit unbedacht
umgebaut oder entfernt. Umso erfreulicher ist es, dass u. a. mit den beiden großen Klais-Orgeln in Attendorn und Olpe Instrumente einer inzwischen auch schon wieder historisch zu nennenden Epoche
des Orgelbaus in gutem Zustand erhalten sind. Vor allem in den evangelischen Kirchen ist die Zeit des neobarocken Orgelbaus der 1960er/70er Jahre stark präsent.
Mögen auch die zukünftigen Jahre und Jahrzehnte für die Orgellandschaft des Kreises Olpe fruchtbar sein. Die Zeit der großen Orgelneubauten scheint erst einmal vorbei zu sein. Aber vielleicht
ergeben sich ja auch in Zukunft Gelegenheiten, das eine oder andere bestehende Instrument noch einmal fachgerecht zu restaurieren, zu reaktivieren oder zu rekonstruieren. Vielmehr mögen die
Orgeln des Kreises aber vor allem als klingende Zeugen das Lob Gottes auf vielfältige Weise zum Ausdruck bringen und wach halten. Dazu bedarf es sowohl eines Bewusstseins für das Erbe unserer
reichen Orgellandschaft als auch begeisterter Musiker, die auch in Zukunft die „Königinnen der Instrumente“ zum Erklingen bringen.
© Dr. Gabriel Isenberg, 2020